Bei Borgan
Nachdem ich drei Wochen nach Nordwesten
gezogen war, traf ich des nachmittags auf eine kleine
Hütte im tiefsten Unterholz. Ich hatte mich noch nicht
ganz entschlossen, ob ich weiter marschieren oder
klopfen sollte, als plötzlich ein lautes "Holla, wer
da?" erschallte und ein riesiger breitschultriger
Mann in einem Fenster erschien. Zuerst war ich ein
wenig skeptisch, aber nachdem ich mich mit dem Mann,
der sich als Borgan vorstellte, einige Minuten unterhalten
hatte, gab ich meine Vorsicht auf und ließ mich sogar
von ihm einladen, eine Nacht bei ihm zu verbringen.
Zuerst glaubte ich, Borgan sei Köhler oder Holzfäller,
am Abend erzählte er jedoch einige spannende Geschichten
über sich, bei denen sich herausstellte, daß er in
dieser Einsamkeit lebte, weil er keinen Kontakt zu
den Menschen wollte. Borgans ungezwungene und offene
Art, sein Lebenswandel im Einklang mit der Natur und
seine Ansichten über den Lauf der Dinge überzeugten
mich bereits an diesem Abend dermaßen, daß ich des
nachts nicht recht schlafen wollte, so sehr zerbrach
ich mir den Kopf darüber, ihn zu fragen, ob ich einige
Zeit bei ihm bleiben könnte. Am nächsten Morgen faßte
ich mir ein Herz und bat ihn, bei ihm wohnen zu dürfen,
um mich ein wenig in die Geheimnisse der Natur einzuweihen.
Borgan erbat sich Bedenkzeit bis zum Abend und nachdem
er von einer langen Wanderung durch den Wald zurückkam,
erlaubte er mir, bei ihm zu bleiben.
Nach der Zügellosigkeit, die ich
mir in Dreywassern zu eigen gemacht hatte, folgte
nun ein Leben in Bescheidenheit. Borgan lehrte mich,
sparsam mit den Geschenken der Natur umzugehen und
die Natur als ein Gabe der Götter zu ehren. Daneben
besaß Borgan ein fast grenzenloses Wissen über Etikette
und gute Manieren, das er in den Jahren, bevor er
sich in diesem Wald niedergelassen hatte, am Hofe
des Königs in Ahbron erworben hatte. Über alles konnte
er etwas erzählen, lediglich wenn die Sprache auf
seine Person kam, wurde er schnell still und zugeknöpft.
In der gesamten Zeit, die ich bei ihm verbrachte,
erfuhr ich nicht mehr über sein Leben, als daß er
einst ein ehrenhafter und kühner Krieger gewesen sein
mußte, der nach einer übermächtigen Enttäuschung den
Kontakt zu anderen Menschen abgebrochen hatte.
Fast ein Jahr blieb ich bei Borgan
und war die Ausbildung bei Asgaron und Rodwin wichtig
für mein Wissen gewesen, so wurde der Aufenthalt bei
Borgan entscheidend für meinen Charakter und meine
Weltanschauung. Sehr weit
war ich bislang nicht in der Welt herumgekommen, doch
ich hatte so viele wichtige Erfahrungen gemacht, daß
ich deswegen kein schlechtes Gewissen hatte.
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