Der Überfall
Am nächsten Morgen gingen wir erneut in das Dorf,
hatten aber nach dem Zwischenfall in der vergangenen
Nacht keinen Mut mehr für eine längere Durchsuchung
des Dorfes. Wir fanden nur weni-ges von Interesse
und leider keine Spur von Belias Leichnam oder weiteren
persönlichen Besitztümern.
Einzig einen der Pfeile, die ich am Abend der Schlacht
von Thalstein Belia mitgegeben hatte, fand ich, versteckt
unter den Stufen der ehemaligen Hütte der Gräfin.
Er war zerbrochen, so wie das Leben meiner Gefährtin
und ich wollte nicht gegen die Tränen ankämpfen, die
mich bei meinem Fund überkamen. Noch einen weiteren
unerwarteten Fund machten wir: Serrin, der während
der Durchsuchung des Dorfes im Wald herumstreunte,
kam mit erschrockener Miene in das Dorf zurück und
teilte uns mit, daß offenbar noch in der letzten Nacht
die Ritualgegenstände, die wir im Wald verscharrt
hatten, wieder ausgegraben worden waren!
Noch beunruhigter als wir ohnehin schon waren, drängten
nun alle auf baldigen Aufbruch. Wir verließen Thalstein
daher noch vor Mittag und machten uns auf den Weg
zu dem Ort, zu dem der Hetmann die Männer und Frauen
gerufen hatte, die ihm beistehen wollten. Als wir
am Abend Rast machten, fühlten wir uns schon wieder
ein wenig sicherer und freuten uns auf die Gesellschaft
vieler freundlicher Menschen, die uns in wenigen Tagen
erwartete.
Einige Nächte nach unserem Besuch in Thalstein geschah
jedoch etwas Unerwartetes. Obgleich wir immer noch
sehr vorsichtig waren, nahmen wir es mit den Wachen
nicht mehr so ernst und teilten für die Stunden zwischen
Mitternacht und den frühen Morgenstunden keine Posten
mehr ein. So mußte es ein leichtes für den Räuber
gewesen sein, sich in unser Lager zu schleichen und
unsere Taschen zu durchwühlen. Denn als wir am nächsten
Morgen aufwachten, lag der Inhalt von Gweldims, Linflas'
und meiner Tasche verstreut auf dem Waldboden. Zuerst
war der Ärger groß, doch beim Einsammeln der Gegenstände
stellten wir überraschenderweise fest, daß nicht ein
Gegenstand aus unserem Besitz fehlte. Während wir
noch rätselten, was es mit dem Zwischenfall auf sich
hatte, fiel es mir urplötzlich auf, was fehlte: der
Talisman von Belia!
Schlagartig wurde uns klar, daß wir vielleicht zu
unbedacht mit dem Konflikt mit dem Nekromanten umgegangen
waren und er wohl nicht nur die Gegenstände im Wald
wieder ans Tageslicht geholt hatte, sondern sich nun
auch erneut den Besitz an Belias Amulett verschafft
hatte. Offenbar war ihm die ganze Sache weit wichtiger
als wir angenommen hatten und die von uns an der Ritualstätte
gefundenen Sachen waren wesentlich bedeutsamer als
wir es uns vorstellen konnten.
- Llano Vangirion
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