Der Nekromant
Wir hatten kaum eine Stunde dort gelegen, als uns
Linflas, der die erste Wache hielt, weckte. "Es ist
Licht am Rande des Dorfes!", raunte er uns zu und
schlagartig wurden wir hellwach. Obwohl durchaus die
Chance bestand, daß sich lediglich andere Abenteurer
im Dorf befanden, machten wir uns auf das Schrecklichste
gefaßt. Der Lichtschein wurde deutlicher, während
wir uns dem Dorf näherten, und alsbald erkannten wir,
daß einige Fackeln rund um den magischen Zirkel in
den Boden gesteckt waren, in dem damals der Überkrieger
geschaffen werden sollte. Im Licht der Fackeln sahen
wir drei Gestalten. Während die eine im Kreis der
Fackeln herumhuschte, standen die anderen beiden starr
am Rande des Kreises.
Der Nekromant
Wir beobachteten die agile Gestalt, die mit ihrer
Tätigkeit nach kurzer Zeit fertig war und sich anschließend
in die Mitte des Zirkels setzte. Es erhob sich ein
leises Summen, das uns einen Schauder über den Rücken
jagte. Aus dem Summen wurde ein Gesang, der alles
andere als vertrauenerweckend klang. Urplötzlich stieß
Bruder Orm hervor: "Er ruft die Toten!", sprang auf
und stürmte mit einem lauten "FÜR BJODE!" auf den
Fackelkreis zu. Wir stürzte hinterher, um gleich darauf
mit Schrecken festzustellen, das die beiden Wächter
des Mannes nicht von dieser Welt waren. Mit eckigen
Bewegungen traten sie uns in den Weg, nachdem der
Nekromant einige gutturale Befehle von sich gegeben
hatte. Die wenigen Sekunden der Verwirrung reichten
dem Totenbeschwörer, um aus dem Schein der Fackeln
in die Dunkelheit zu flüchten und obgleich drei von
uns die Untoten umgingen und sofort die Verfolgung
aufnahmen, war der finstere Magier in Sekundenbruchteilen
vom Erdboden verschluckt. Die anderen vier hatten
bald die Oberhand über die Zombies gewonnen und obgleich
wir uns verängstigt umsahen, kamen uns keine weiteren
Gegner entgegen.
Im Schein der Fackeln erkannten wir, daß der Mann
besagte Stelle genutzt hatte, um eine Ritualstätte
herzurichten; welches finstere Vorhaben er dort verwirklichen
wollte, mochten wir uns gar nicht vorstellen! Er hatte
einige Steine mit Runen bemalt; beim genaueren Hinsehen
erkannten wir, daß er vier Steine in einem Quadrat
gelegt und mit den Runen der vier Himmelsrichtungen
versehen hatte. Um das Steinquadrat hatte er einen
Kreis aus buntem Pulver gezeichnet und in dessen Mitte
prangte die Rune des Todes, mit demselben Pulver auf
den Waldboden gestreut. Erst jetzt fiel uns auf, daß
die umstehenden Bäume laut raschelten und ein fahler
Glanz von ihnen ausging, fast so, als ob sie ein Ereignis
erwarten würden, das hoffentlich niemals eintreten
würde. Inmitten des Steinquadrats fanden wir einige
Gegenstände, die der Nekromant ganz offensichtlich
für sein Ritual einsetzen wollte. Voller Entsetzen
stellten wir fest, daß sich unter den Gegenständen
ein wunderschöner und uns allen bekannter Talisman
befand: einst hatte er Belia gehört! Wieder übermannte
uns tiefe Trauer und ohnmächtige Wut, mußten wir doch
erkennen, daß Belias Hab und Gut und vielleicht auch
ihrer Seele noch keine Ruhe vergönnt war. Wir vernichteten
zwei der Ritualgegenstände, eine Schale aus Steingut
und ein großes Stück bemalten Stoffes, vergruben die
übrigen Gegenstände im Wald, zerstörten den farbigen
Kreis und warfen die vier Runensteine in den Bach.
Zwar waren wir noch immer schockiert, daß Belias Amulett
eine tragende Rolle in einem finsteren Ritual hatte
spielen sollen, doch zumindest waren wir zufrieden,
daß wir den Nekromanten in die Flucht geschlagen hatten
und ihm hoffentlich bis auf weiteres die Möglichkeit
der Durchführung seines bösartigen Planes genommen
hatten.
- Llano Vangirion
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