Die traurige Mär
von der niedlichen Martina
Teil 2
Wie Martina es erging, habt alle Ihr
vernommen,
doch stellt sich mancher die Frage still:
"Wie konnt' es so weit kommen?"
Drum ich Euch nun erzählen will,
wie die Geschichte einst begonnen,
als sie noch jung und lieblich war,
und wie ihr Traum zerronnen.
An einem Tag so wunderbar,
voll Sonnenschein und Singen
von Süden her ein Reiter naht,
wird schlechte Nachricht bringen:
Ihr Liebster, der liegt aufgebahrt
und tot in fernen Landen.
Und wie der Bote zu ihr spricht,
da ist's als ob verschwanden
die Vögel und das Sonnenlicht
aus ihrem Geist und Herzen.
Vor Gram sie sich zu Boden stürzt
und windet wie vor Schmerzen.
Dann springt sie auf, den Rock sie schürzt,
rennt weinend schnell von dannen,
läuft in den tiefen dunklen Wald,
voll Kiefern und voll Tannen.
Er ruft ihr nach: "Die Nacht kommt bald!"
Doch sie mag ihn nicht hören.
In diesem Wald hier niemand soll
in ihrem Schmerz sie stören.
So sitzt voll Trauer und voll Groll
sie in der Tannen Schatten,
gedenkt der wundervollen Zeit,
die einst zu zweit sie hatten.
Ihr Liebster, der liegt ach so weit
von ihr entfernt, in Linnen
ins Leichentuche eingehüllt
und ihr die Tränen rinnen.
Die Stimme hebt sie schmerzerfüllt:
"Nie wieder soll man nennen
mich niedlich, wie einst er getan.
Nein, ab sofort soll kennen
die Welt mich nur als Untertan
des Schlechten und des Bösen
bis hin zu jenem fernen Tag,
an dem der Tod wird lösen
den Schwur, dess Bürde trag
ich nun für alle Zeiten.
Bis dahin werde Weh und Leid
ich anderen bereiten.
Und wenn gekommen meine Zeit,
werd endlich wiedersehen
den Liebsten ich dann mein.
Ja, so soll es geschehen.
Ja, so wird es dann sein."
Seitdem sieht man sie wandern
alleine durch die Welt,
von einem Ort zum andern.
An ihren Schwur sie hält
sich strengstens allerorten.
Die Taten, die sie hat vollbracht,
die spotten allen Worten.
Seid auf der Hut und habt gut Acht
und mag das Glück beschützen,
daß Euren Weg sie kreuzet nicht,
kein Flehen würd' Euch nützen.
Drum nehmt als Warnung dies Gedicht.
- Cyprian
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